Gedichte
Jörg Hilbert, Autor und Illustrator, Grafikdesigner, Ritter Rost
Jörg Hilbert, Jorg Hilbert, Jörg, Hilbert, Kinderbuch, Musical, Ritter Rost, Pappenheimer, Fritz & Fertig, Schach, chess, Littelbit, Mister Werwolf, Liuto Forte, Lesefutter, Rösti, Burgfräulein, Bö, Ratzefummel, Koks, rusty, knight, Schneemannkind, So hoch der Baum, Angsthasen, Ueberreuther, Annette Betz, Carlsen, Laute, Lute, Terpsi Wunderblau, Der Falsche Ton, Coco Stolperbein, Schweinachtsmann
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Gedichte

Das traurige Känguru

Das Känguru sprang trist dahin
Und suchte seinen Lebenssinn.

Es suchte rastlos hier und da,
Im Beutel und in Afrika,

Im Schrank, in Frankreich und zum Schluss
Im Garten und am Elbefluss.

Doch weder fand es dort noch hier
Den Sinn. Drum griff es zum Papier

Und schrieb an einen klugen Mann
’nen Brief mit dieser Frage dann:

Wo find ich meinen Lebenssinn,
Damit ich nicht mehr traurig bin?

Der kluge Mann schrieb gleich zurück:
Sie finden Lebenssinn und Glück,

Indem Sie, hochverehrtes Wesen …
Der Rest war leider nicht zu lesen.

 

 

 

Zwischenfall im Hühnerstall

O welch Skandal, o welch Malheur,
Der Hahn war heute beim Friseur!
O welch Malheur, o welch Skandal!
Da kommt der Spinner – schaut einmal:

 

Den Kamm hat man ihm abrasiert,
Die Federn lockig onduliert,
Der Schwanz ist leuchtend pink getönt
Und senkrecht in die Luft gefönt.
Auch schwebt nun durch die Stallungsluft
Ein After-Shave, Typ Veilchenduft,
Kurzum: Man glaubt, der Gockel sei
Ein ausgeflippter Papagei.

 

So schreitet er durch seine Hennen,
Die ihn fast nicht mehr erkennen.
Sie wenden sich mit Grausen ab,
Und selbst dem Fuchs, dem Hühnergrab,
Verschlägt es glatt den Appetit,
Als er den Neonbroiler sieht.

 

Getreulich glänzt das Abendrot.
Verlassen steht der Hahn im Kot
Und hadert mit dem Lauf der Welt.
Er hat sich’s anders vorgestellt:
Er ist für freie Bodenhaltung,
Für Individualentfaltung,
Ist fortschrittlich, ist liberal …
Den Hennen ist das sch… ganz egal.
Sie woll’n den Macho und sonst keinen.
Der arme Hahn muß bitter weinen.

 

Schon steht der Modische am Gleise
Und kräht ein letztes Mal ganz leise.
Als nächster Eilzug naht alsbald
Der Eurocity Wienerwald.

 

 

Seltsam, seltsam

Seltsam, seltsam!
Einsam plus einsam
Gleich zweisam.

 

Zweisam plus zweisam
Mal zwei
Gleich achtsam.

 

Sex ist nicht sittsam
Und eins, zwei, Freiburg
Liegt an der Dreisam.

 

 

 

Ein Fest im Nest

So ein Radau!
Der Schluckspecht gibt heute ein rauschendes Fest
Mit der Schnapsdrossel, seiner versoffenen Frau,
Auf der Eiche am Teiche im vierzehnten Nest.

 

Alle sind da:
An der Cocktailbar stehen
Die Rabenmutter, der Fernseh-Star,
Der Rohrspatz, der komische Kauz – ja sogar
Der verruf’ne Herr Schmutzfink ist hier zu sehen,
Frau Dreckspatz im Arme. – Ach, guck mal, na drum!
Die Spinatwachtel freut sich und tratscht es herum.

 

Die Fledermaus hängt nur herum, wie üblich,
Der Unglücksrabe rutscht aus, wie betrüblich,
Doch hat das Rotkreuzkehlchen Medikamente.
Das blinde Huhn trinkt auch einen Korn.
Der Hahn im Korb und die Zeitungsente
Verstehn sich und drehn sich im Tanz weiter vorn.
Dem Galgenvogel stibitzt unterdessen
Die Elster die Silberzwiebeln vom Essen,
Dann klaut sie das Kleingeld dem Pleitegeier
Und mopst der Lerche die Wachteleier –
Oder waren’s die Eier der Nachtigall?

 

Ein Flattern und Fliegen herrscht allüberall,
Ein Klatschen und Tratschen,
Ein Quatschen und Ratschen,
Ein Hüpfen und Hopfen,
Ein Spachteln und Stopfen,
Ein Plappern und Piepsen,
Ein Fisteln und Fiepsen,
Es piepst und pupst nur so durch den Salon,
Bei der heißesten Pieps-Show
Der ganzen Saison.

 

 

Die Oboe

Als Gott die Schmerzen schuf, das Leid,
Den Kummer und die Einsamkeit,
Da schuf er gleichfalls nebenbei,
Fagott, Oboe und Schalmei.

 

Mit all den Dingen hatte nun
Der Mensch zunächst nicht viel zu tun,
Bis dass er in den Apfel biss
Und Gott ihn aus der Bude schmiss.

 

Und das warf Gott ihm hinterher:
Den Tod und den Geschlechtsverkehr,
Die Pest, die Wollust und die Laus –
Auch die Oboe schmiss er raus.

 

Es nahm das Ding der Mensch und fluchte,
Weil er das Mundstück dazu suchte.
Doch Gott blieb hart und er beließ es
Im Besenschrank des Paradieses.

 

Das ist, warum der Mensch am Ende
Dies paradiesisch’ Instrumente,
So sehr er sich auch müht und plagt,
Nie ganz beherrscht und ständig klagt:

 

Das Instrument hat Gott erdacht,
Das Mundstück hat der Mensch gemacht.

 

 

Was ich mag

Die Knisterhülle einer Schokolade
Mit Fingernägeln glattzustreichen,
Das Rinnen feinen Sands
Auf meine Füße.

 

Wenn es nach Gewitter riecht,
Dann mag ich das
Wie den Geschmack des ersten Buchenblatts,
Das ich im Frühling finde.

 

Ich mag auch sehr
Die allerersten Morgenluftsekunden,
Das Gehen über unberührten Schnee
Im Schein von gelblichen Laternen
Sowie vom warmen Sommerregen
Ganz und gar durchnässt zu sein.

Freie Nachdichtungen

Eine Auswahl von Liedern und Gedichten, die für verschiedene Konzertprojekte neu übersetzt bzw. nachgedichtet wurden. Sowohl der Shakespeare-Zeitgenosse John Donne (1571-1631) als auch der schwedische Nationaldichter Carl Michael Bellman (1740-1795) sind im deutschsprachigen Raum eher unbekannt. Solch einen ”Service” bietet Jörg Hilbert für alle Konzerte an, bei denen er mitwirkt: Die Texte der aufzuführenden Werke werden in moderne Gedichtform übertragen und rezitiert, um dem Publikum eine wirkungsvolle Vorstellung von Inhalt und lyrischem Impetus der Werke zu geben.

Heilig, heilig, tot

(Frei nach John Donne, „Die Heiligsprechung“)

 

Halt bitte deinen Mund und lass mich lieben!
Mach mich nieder, wenn du musst,
Spotte über meinen Haarverlust
Oder sei in Oxford eingeschrieben,
Lern noch dazu und bilde dich,
Gewinn Profil gesellschaftlich,
Steh mit dem König selbst auf du und ich
Und Schätze lass ihn dir zuschieben –
Aber, bitte, lass mich lieben!

 

Wem schadet meine Liebe denn? Komm sag!
Versank ein Schiff in meinem Sehnen?
Ertrank am Riff ein Mensch in meinen Tränen?
Mein Frösteln – schadet es dem Frühlingstag?
Mein Glühen – streckt es irgendwann
Je eine arme Seele an?
Kein bisschen! Die Welt ist heut nicht anders dran,
Egal, was ich dir tu und sag
An unserm Liebestag.

 

Ich nenn es Liebe – Nennt ihr’s nach Belieben
Zwei Fliegen voller Adlermut,
Zwei Kerzen, schmelzend in der eignen Glut
Oder zwei Täubchen, turtelnd umgetrieben.
So wie der Phönix immer neu
Und neu entsteht, sind auch wir zwei:
Nicht gleich, doch trotzdem gleich und eins dabei,
Neu auferstanden, jung geblieben
Während wir uns lieben.

 

Die Liebe gibt uns Leben oder Tod.
Als Grabschrift aber taugt sie nie,
Denn alles macht sie stets zu Poesie:
Das Totenfeuer wandelt sich, wenn’s loht,
Zu Versen, inniglich und schlicht,
Zu Strophen wird das Angesicht
Und wie die Urne fasst es ein Gedicht –
Ein Hymnus, jubelnd und devot:
„Heilig, heilig, tot.

 

Ihr Seligen“, so beten sie verzückt
„Die ihr in Liebe umgedacht
Zur Ewigkeit die eine große Nacht,
Die Ihr den ganzen Weltkreis überblickt,
Den ihr im Aug des anderen schön
Als wie im Spiegel habt gesehn!
Wir bitten euch, erhöret unser Flehen!
Schenkt uns doch nur ein winzges Stück
Von eurem Liebesglück!“

 

 

 

Garten Eden

(Frei nach John Donne, „Twickenham Garden“)

 

Es geht mir nicht gut, es geht nur bergab,
Die Tränen, sie strömen mir übers Gesicht,
Ich stolpre die Straßen hinauf und herab
Bis hin zu dem Garten, der Lindrung verspricht
Mit seinem sanften Frühlingslicht.
Hier summt es überall und zwitschert froh.
Sitzt wohl der Adam irgendwo?
Und Eva? Zum Paradies fehlt nur ein Schritt –
Die Schlange, Freunde, die bringe ich schon mit.

 

Warum ist hier Frühling? Warum kann nicht sein
Hier bittrer Winter samt Kälte und Nacht,
Mit eisigem Antlitz, das kalt und gemein
Mir Leidenden höhnt und mich bitter verlacht,
Anstatt mir neue Hoffnung macht?
Ach wär ich doch ein schlichtes Pflanzenstück
Von diesem Park, zu meinem Glück
Gedankenfrei vergraben tief und still
Am Quell, der nichts mehr weiß und nichts mehr will.

 

Ihr Liebenden, schnell!, die Gläser herbei
Für den Wein meiner Tränen, mit Liebe geweint –
Ein ehrlicher Tropfen, und nicht Gaukelei
Wie der fälschliche Fusel, den Schatz immer greint;
Vergoren ist’s und anders gemeint!
Was wirklich sie denkt, das zeigt der Frau Getu
So dürftig wie der Abdruck den Schuh.
O du verheult-verlogenes Geschlecht!
Nur wenn sie dich erschlagen, ist es echt.

 

 

Tränen zu Planeten

(Frei nach John Donne, „A Valediction: of Weeping“)

 

Tränen meines Gesichts –
Ich wein sie auf dein Antlitz unentwegt,
Damit es Silbermünzen daraus prägt –
Ansonsten wär ihr Wert gleich nichts.
Münzenmeer –
Schwangerschwer
Die Währung eines Landes fern und weit,
Aus Leid gemacht, und auch ihr Zins ist Leid.
Verlierst du sie, verlierst du auch dich selbst zur gleichen Zeit.

 

Nimm einen Ball.
Klebst du ihn überall mit Karten aus,
Wird bald die ganze Welt, der Globus draus.
So wird aus Spielzeug gar das ganze All.
Von gleicher Art
Sind Tränen zart:
Sie werden zu Kometen durch dein Bild,
Zu Sonnen, den Planeten, und es schwillt
Wie eine Straße milchig schimmernd übern Himmelschild.

 

Es thront der Mond
Und seine Meere türmst du auf für mich,
Damit versinke und ertrinke ich.
So halt doch ein! Lass mich verschont,
Dass nicht die See
Noch höher geh
Mit ihren Wogen erhöhend meine Pein!
Ich zieh wie Seeluft deine Seufzer ein.
Sie treiben mich unweigerlich in meinen Tod hinein.

 

 

 

Spiegelscherben

(Frei nach John Donne, „The Broken Heart“)

 

Es ist ein Tölpel, wer beschreit,
Dass es die ew’ge Liebe gibt,
Wenn man in einer Stunde Zeit
Sich bis zu zehnmal gänzlich neu verliebt.
Wer glaubt denn treu und bibelfest,
Ich hätt ein ganzes Jahr die Pest?
Wer lachte mich nicht aus, wenn ich ihm sag
Mein Streichholz brenne einen ganzen Tag?

 

Was ist das Herz doch für ein Witz,
Fällt es der Liebe in die Hand:
Erfüllt bis in den letzten Ritz
Vom Fieber heiß gebraten und gebrannt,
Schnappt sich’s die Bestie, beißt es ab
Und schlingt es unzerkaut herab.
So sterben wir, getroffen vom weiblichen Geschlecht:
Wir sind die Sprotte, und sie, sie sind der Hecht.

 

Das sei, so sagst du, wohl ein Scherz?
Wie war es denn, in jener Nacht,
Als ich es zu dir trug, mein Herz,
Und gar nichts wieder aus dem Zimmer bracht?
Blieb es bei deinem Herz? O nein!
Sonst würd’s dich lehren, treu zu sein.
Die Liebe war’s, denn die zerbrach’s zum Spaß
Wie mancher im Container altes Glas.

 

Die Splitter sind noch alle hier,
So bleibt es schmerzhaft mir bewusst:
Denn diese Scherben schneiden mir
An jedem Tag von Neuem in die Brust.
Wie kleine Spiegel tausendfach
Vermehren sie mein Ungemach
Als Bilder von Bewundrung und Begehr.
Das Bild der Liebe, das zeigt keine mehr.

 

 

Schön blöd

(Frei nach John Donne, „The Triple Fool“)

 

Schön blöd, das bin ich, doppelt gar:
Ich liebe und ich sag’s fürwahr
Gejammert und gereimt.
Der Weise sieht es sicher voller Neid,
Wie es die Damen freut.
Gleich einem Fluss, der Gold aus Steinen spült
Aus trübem Sand und schwerem Felsenerz,
Und wie sein Wasser wunde Füße kühlt,
So kühlt der Reim getreulich meinen Schmerz.
Er lässt ihn niedersinken – kurz und gut –
Als Schatz, verborgen in der tiefsten Flut.

 

Ein Mistkerl aber schürfte dort,
Entdeckte und vertont’ mein Wort,
Um sich hervorzutun.
Den Schmerz befreite er so frevelhaft
Aus der Gefangenschaft.
Und alle singen’s nun, und viel zu laut! –
Bei jedem Ton sträubt sich mein Nackenhaar! –
Sie singen, was mich grämt und graut
Und doch im Fluss versenkt schon war.
Der Weise seufzt und streicht sein weißes Haar.
Schön blöd, das bin ich – dreimal blöd sogar.

 

 

Die Qual der Wahl

(Frei nach John Donne, „Self Love“)

 

Der, der mich liebt und mich begehrt
Weil er’s nicht anders kann,
Ist nur ein Schwächling, nicht viel wert
Und gar kein echter Mann.
Ist er hingegen willensstark
Mit Muskeln dick und groß,
So ist das auch nicht, was ich mag,
Weil hormonell ja bloß.
Sind nur die Schönen seine Wahl,
So fänd ich ihn gewöhnlich
Und ist ihm Schönheit ganz egal,
Dann wird’s mir zu persönlich.
Dem, welcher Grips hat und Verstand,
Dem wär ich unterlegen,
Doch griff ein Dümmrer meine Hand,
Wär ich wohl auch dagegen.
Der Mann, der mir am meisten schenkt
Ist ebenfalls nicht richtig,
Genauso wenig wie wer denkt,
Das Schenken sei nicht wichtig.
Da bleibt nicht viel in engerer Wahl
An Männern – nämlich keine.
Ich mach mir deshalb keine Qual
Und lieb mich halt alleine.

Wiegenlied

(Frei nach Carl Michael Bellman)

 

Kleiner Carl im weichen Pfühl,
Bald wird man dich wecken
Und die Welt wird grau und kühl
Dir nach Galle schmecken,
Alles das, was jetzt noch zart,
Wird dann faltig, spröd und hart
Voller Todesflecken.

 

Wo die Quelle freundlich quillt,
Wollen wir hingehen –
Hier kannst du als Spiegelbild
Dein Gesichtchen sehen.
Aber gleich schon spülen’s dort
Kleine Wellen wieder fort
Und es muss vergehen.

 

So muss auch dein Leben sein:
Grün hinter den Ohren,
Atmest du ein paarmal ein
Und bist schon verloren.
Selbst die Blumen, noch so süß,
Zeigen uns verwelkend dies,
Kaum sind sie geboren.

 

Schlaf, mein Kleiner, schlaf schön ein
Und wirst du erwachen,
Hol’n wir dir den Topf, um fein
Etwas reinzumachen.
Guter Vater sein will ich,
Les dir vor und kitzle dich,
Dann hast du was zu lachen.

 

 

 

Dir, Bacchus, will ich dienen

(Frei nach Carl Michael Bellman)

 

Dir, Bacchus, will ich dienen
Mit Herz und Hand und Mund.
Du selbst bist mir erschienen
In meines Glases Grund.
Der Wein sei dir geweiht
Und gleichfalls, heilger Vater,
Dann morgen auch mein Kater
Auf alle Lebenszeit.

 

Das Amt, das ich erfülle,
Das heißt das Abendmahl.
Es sei mein letzter Wille
Und täglich Ritual:
Es gibt nur Wein und Brot –
Vor allem Wein in Massen –
Das Brot kann man auch lassen,
Zur allergrößten Not.

 

Sei, Bacchus, mein Erlöser –
Und groß mein Glaube sei
Wie Kelche auch und Gläser
Der Schenkensakristei.
Lass enden jeden Tag
Mit Abendmahl und Weine
Und lass mich nicht alleine
Bein Andacht und Gelag.

 

 

Abendgesang

(Frei nach Carl Michael Bellman)

 

Tritt vor, du Gott der Nacht und lösch des Tages Gluten –
Auch Sternlein bring hervor, das Abendrot zu fluten.
Bedecke sanft und kühl
Die Augen, und erlös im Bösen wie im Guten
Von Kampf uns und Gewühl.

 

Die Welt bedeckst du sacht mit einer weichen Decke,
Die Blüten ziehn sich ein und ebenso die Schnecke.
Es sagen gute Nacht
Sich Hase, Fuchs und Igel, dass man sie morgen wecke,
Wenn neu die Sonne lacht.

 

Es gehen auch zur Ruh die Ochsen und die Schafe.
Ein Bächlein murmelt zart, als spräche es im Schlafe.
Es rascheln Eichen leis –
Es ist ihr stiller Schlaf ein Segen und nicht Strafe
Und Gruß vom Paradeis.

 

Versenke, Majestät der Nacht, die ganze Erde,
Auf dass sie morgen neu und etwas besser werde.
Das letzte Licht verrinnt –
Bedecke diese Welt mit liebender Gebärde,
Als wäre sie dein Kind.

 

 

 

Das blaue Auge

(Frei nach Carl Michael Bellman)

 

He, Movitz, wie schön dich zu sehen –
Bleib stehn, Mann, ich beiß dich doch nicht.
Was ist dir denn Schlimmes geschehen?
Du bist ja ganz blau im Gesicht.
Solang deine Gönner noch leben,
Besteht doch kein Anlass für Leid.
Pong-pongtuli pongtuli. Zeit,
Ein Gläschen zu heben?

 

Jetzt nimm schon, ich will’s dir spendieren,
Der Schnaps ist vorzüglich gebrannt.
Und dann musst du dokumentieren:
Wie kamst du zu diesem Verband?
Wenn Fieber im Spiel ist – sehr wichtig –,
Dann hol ich die lieber ’nen Tee …
Pong-pongtuli pongtuli. Nee,
Der Schnaps ist schon richtig.

 

Was ist mit dem Auge? Ging’s flöten?
Lass sitzen das Pflaster, du Hund!
Wir wollten schon manchen verlöten
Und immer ging’s hinterher rund …
Ich werd dir hier gleich eine patschen!
Gib her schon den Schnaps auf der Stell!
Pong-pongtuli pongtuli. Schnell!
Und hör auf zu quatschen!

 

Du fängst mir ja gleich an zu heulen –
He, nicht doch! Ich hab dich ja lieb …
Erkläre mir lieber die Beulen
Und sag mir: Wer war dieser Typ?
Wer konnte dich derart versehren
Mit bläulichem Auge samt Blut?
Pong-pongtuli pongtuli. Gut,
Ich will’s dir erklären.

 

Es war an dem selbigen Tage …
Ich hab es doch gerad noch gewusst …
Das Datum ist … schwierige Frage …
Im Juni, war’s … oder August …
Nee, Juli war’s, denke ich eben,
Um Mitsommer … oder danach …
Pong-pongtuli pongtuli. Ach,
Bin völlig daneben.

 

Es war nicht mehr hell auf den Straßen.
Da sah ich am Bordstein sie stehn –
Wir sprachen die üblichen Phrasen,
Dann durfte ich heim mit ihr gehen.
Adresse – du dürftest sie kennen –
Im Rotlichtbezirk – dieser Ort,
Pong-pongtuli pongtuli, dort,
Wo alle hinrennen.

 

Ich schulterte schnell meine Fidel
Und folgte der Nymphe sogleich
An Aldi vorbei und an Lidl
Zu ihrem begehrlichen Reich.
Wir wollten es gerade betreten,
Da kommt dieser Typ, dieser Kloß –
Pong-pongtuli pongtuli, groß
Und stark wie Athleten.

 

Er rief: „Lass sie los, das ist meine!
Hau ab! – Oder nee, bleib mal stehn
Und spiel was für mich und die Kleine –
Musik hebt die Stimmung so schön.“
Dann fummelte er an der Dame
Und ich stand begleitend Spalier,
Pong-pongtuli pongtuli, mir
Zum Kummer und Grame.

 

Ich spielte so wild und so kräftig,
Es klang wie ein zorniger Schrei,
So wütend, verzweifelt und heftig –
Da riss mir die Saite entzwei.
Gleich langt er mir eins ins Gesichte –
Mann, hat mich das Arschloch verletzt!
Pong-pongtuli pongtuli. Jetzt
Kennst du die Geschichte.

 

Der Kerl, der bekam ungezügelt
Die Frau samt der Gratismusik.
Dazwischen hat er mich verprügelt,
Drum ist jetzt mein Auge so dick.
Er tät dies zu meiner Belehrung,
Erklärte der Kleiderschrank.
Pong-pongtuli pongtuli. Dank
Für schöne Bescherung.